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Das Münchner Künstlerhaus

 

Eine wichtige Rolle im Münchner Kulturleben spielte das Künstlerhaus am Lenbachplatz, das am 29. März 1900 durch Prinzregent Luitpold eingeweiht wurde. Es ist auf besondere Weise mit der Geschichte der Tanzmoderne verknüpft. Erbaut wurde das Haus von dem damaligen Stararchitekten Gabriel von Seidl im Stil der Neorenaissance auf dem ehemaligen Platz des Vereinshauses der Künstlergesellschaft Allotria. Jahrelang zogen sich die Planungen und Finanzierungsprobleme zur Realisierung des Gebäudes hin, bis schließlich der Malerfürst Franz von Lenbach die Initiative ergriff und das Projekt voranbrachte. Bauherr war die Münchener Künstlergenossenschaft königlich priviligiert von 1868; das prunkvolle Haus sollte als Fest- und Begegnungsort allen Künstlern Münchens sowie der Münchner Bevölkerung offenstehen – was das selbstbewusste Motto »Nobis et Amicis« am Eingang signalisiert. Hier zwei Sätze zur Eröffnung; Münchner Künstlerhaus-Verein; Festbankett.

Das reich geschmückte und mit allem Komfort ausgestattete Gebäude brannte bei einem Fliegerangriff 1944 völlig aus. Nach Kriegsende in der Zeit von 1955 bis 1961 wiederaufgebaut, vermittelt das Haus heute nur ein Stück weit den einstigen Glanz. Im Vestibül erinern Gemälde von Lenbach und Stuck an die große Zeit, an der Treppe sind auf einem Bronzerelief die Köpfe und Namen der Gründer verzeichnet, neben dem Architekten Seidl und den Malern Lenbach, Stuck und Friedrich August von Kaulbach auch der Erzgießer und Leiter der Baukommission Ferdinand von Miller. Die 2001 gegründete Münchner Künstlerhaus-Stiftung bemüht sich um die Anknüpfung an die Tradition sowie um ein aktuelles Kunst- und Kulturprogramm.

Verschwunden ist nicht nur die von Lenbach selbst entworfene prunkvolle Inneneinrichtung im Stil der Renaissance, sondern auch das Giebelrelief von Edwin Weissenfels am Eingangstor an der Maxburgstraße, auf dem drei tanzende Musen in leichten Kleidern und bewegten Schleiern die Besucher einstimmten.

Das Künstlerhaus zählte sofort zu den Sehenswürdigkeiten der Residenzstadt – im Hintergrund links die 1887 eröffnete, 1938 zerstörte Synagoge. Reklamemarke des nebenan gelegenen, ebenfalls von Seidl erbauten Kaufhauses Oberpollinger | © Bibliothek Betz

Künstlerhaus | Ansichtskarte | um 1903 | © Sammlung Betz

Zwei Jahre nach der fulminanten Eröffnung 1900 gab die damals 25-jährige sogenannte »Barfußtänzerin« Isadora Duncan hier ihr spektakuläres Deutschland-Debüt im Festsaal. Ihr lag sehr daran, an diesem Ort aufzutreten, den sie in ihren Memoiren als das »Lebenszentrum Münchens« beschreibt, und nicht in einem der renommierten Varietés wie beispielsweise dem Deutschen Theater. Sie verfolgte das Ziel, den freien Tanz in Abgrenzung zum Ballett als eigenständige Kunstform zu etablieren.

Nicht alle Mitglieder des Künstlerhausvereins, der als Mieter und Veranstalter fungierte, waren mit ihrem Auftreten dort einverstanden. »Lenbach und Kaulbach waren dafür. Stuck hingegen meinte, daß ein Kunsttempel wie das Münchner Künstlerhaus nicht durch Tanzproduktionen entweiht werden dürfe« [[1]] Schließlich galt ein unbekleideter Fuß in jener Zeit als obszön und unanständig wie auch die Tatsache, dass sie ohne Korsett und in fließenden Gewändern tanzte. Isadora Duncan suchte schließlich den Maler Franz von Stuck in seiner Künstlervilla auf, um ihn zu überzeugen, dass ihre Kunst »nicht würdelos« sei. Stuck willigte ein. Bei ihrer München-Premiere im Künstlerhaus am 26. August 1902 präsentierte sie ihr Programm Tanz-Idyllen [[4]] nach Gemälden der Frührenaissance und antiken Motiven. Sie tanzte nicht auf einem Podest, sondern mitten im Saal, da sie die Nähe zum Publikum suchte. Kritiker feierten die Schönheit ihrer Darbietungen. Begeisterte Studenten spannten die Pferde ihres Wagens aus und zogen sie singend und mit Fackeln zu ihrer nahegelegenen noblen Unterkunft im Hotel Bayerischer Hof.

Gabriel von Seidl »pries Miß Duncans Verdienste um den Tanz« und überreichte ihr »im Namen des Vereinsausschusses« einen Lorbeerkranz.[[6]] Bereits am 15./16. November gab sie erneut ein Gastspiel im Künstlerhaus, das bis zum 2. Dezember verlängert wurde.

Mit ihrem Auftritt im Künstlerhaus öffnete Duncan dort dem freien Tanz die Türen. In der Folge gab beispielsweise die Münchnerin Rita Sacchetto, Tochter des Künstlers Emilio Sacchetto und eine Favoritin Lenbachs, mit ihren Tanzbildern am 5. November 1905 ihr Debüt. Duncans Gastspiele hatten sie motiviert Tänzerin zu werden. Einen zeitweiligen Tanzpartner fand sie später in Alexander Sacharoff. Gemeinsam traten sie 1912 im Künstlerhaus auf. Im Künstlerhaus debütierte 1909 auch die aus Riga stammende Else von Carlberg, die sich den exotischen Künstlernamen Sent M’ahesa gab, mit ihren »altägyptischen Tänzen«.

Künstlerhaus

Künstlerhaus | farbige Ansichtskarte | um 1908 | © Sammlung Betz

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